DER MARIENBERG ZU KRIEGSZEITEN

Der Marienberg (Mariánská hora) wurde mehrmals stummer Zeuge der Plagen und Katastrophen des Kriegs, die die Stadt Ústí nad Labem (Aussig) ereilten. Oft diente er fremden Armeen als Beobachtungsstandpunkt bei der Belagerung der befestigten Stadt. So war es auch während der Schlacht bei Aussig im Juni 1426. Nach der siegreichen Schlacht der Hussiten gegen die Kreuzfahrer wurde die katholische Stadt Ústí von Andreas Prokops Heeren erobert, geplündert und niedergebrannt.

Die großen Schlachten des Dreißigjährigen Kriegs trafen die Stadt zum Glück nicht. Ústí und dessen Umgebung wurden jedoch von den Häufigen Verlagerungen der Armeen, deren Unterbringung und der damit verbundenen Plünderung geplagt. Während der Österreichischen Erbfolgekriege wurde die Stadt von preußischen und sächsischen Heeren besetzt. Mit letzteren hatten die ortsansässigen Stadträte im Dezember 1744 eine sehr spezielle Auseinandersetzung. Der sächsische General Wilster hatte angeordnet, die Überdachung für Kanonen und Munition direkt im Zentrum auf dem Marktplatz zu errichten. Aufgrund der offenen Feuerstellen und der Beleuchtung durch Fackeln entstand aufgrund dieser Entscheidung hohe Brandgefahr mit anschließenden Explosionen. Darum wurden Schießpulver und Munition letztendlich in einem der Häuser unterhalb des Marienbergs untergebracht. Auch während des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) litt Ústí unter dem häufigen Aufenthalt nicht nur der preußischen, sondern auch der eigenen kaiserlichen Armee.

Im April 1778, kurz vor Ausbruch des sogenannten Kartoffelkriegs, besuchte der österreichische Kaiser Josef II. in Begleitung seines Bruders Maximilian, der Feldmarschälle Laudon und Lacsy und des Generals der Kavallerie Fürst Lichtenstein die Stadt. Der Kaiser betrachtete die Gegend vom Marienberg aus und empfing anschließend in der Aussiger Gaststätte U bílé labutě (Zum Weißen Schwan) Vertreter des Magistrats. Im August des gleichen Jahres besetzten die Preußen Ústí nad Labem. Die besetzte Stadt musste hohe Abgaben zahlen und zudem tranken die Besatzer eine Menge Bier und einen bedeutenden Teil der Vorräte an Podskaler Wein. Im September vertrieben sich die preußischen Soldaten beim Bau einer Pontonbrücke zwischen Olšinky (Wolfschlinge) und Krásné Březno (Schönpriesen) ihre Langeweile in den Weingärten am Marienberg, wo die Reben gerade reif waren. Bemerkenswert ist, dass der österreichische Kaiser Ústí nad Labem in diesem Herbst, bereits nach dem Abzug der Preußen, noch zwei Mal besuchte. Damals dachte man wohl sogar darüber nach, dass auf dem Marienberg eine große militärische Festung entstehen könnte. Die Zugangswege, über die die feindlichen Heere ins Innere Böhmens gelangen konnten, sollten letztendlich jedoch durch die in der Nähe der Mündung der Eger in die Elbe errichtete Festung in Terezín (Theresienstadt) geschützt werden.

Die in der Nähe verlaufende Schlacht bei Chlumec (Kulm) Ende August 1813 überstand die Stadt ohne größeren Schaden zu nehmen. In der Kapelle auf dem Marienberg wurde allerdings seit 1815 an den Sieg über Napoleon erinnert. Die kriegerischen Handlungen des Preußisch-Österreichischen Kriegs (1866) oder des Ersten Weltkriegs (1914–1918) betrafen die Stadt und deren Umgebung nicht. Selbst bei der Verteidigung der Tschechoslowakei Ende der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts spielte der Berg keine Rolle. Die nächstgelegenen Befestigungsanlagen entstanden damals am rechten Elbufer.

Erst im Zweiten Weltkrieg kam dem Marienberg eine bedeutende Rolle zu. In Reaktion auf das vernichtende Hochwasser im März 1940, welches den Verkehr im Zentrum verkomplizierte, planten die nationalsozialistischen Ämter einen zweispurigen Straßentunnel von Ústí nach Krásné Březno. Obwohl die Projektdokumentation fertig war, kam es, vermutlich auch aufgrund des fortschreitenden Krieges und mangels finanzieller Mittel bzw. Arbeitskräfte, zum Abbruch des Projektes. Zur gleichen Zeit plante man auch den Bau eines repräsentativen Gebäudes des damaligen Aussiger Regierungsbezirks sowie eines neuen Wohnviertels. Doch auch diesen Projekten zog der Krieg einen Strich durch die Rechnung. Nach der Intensivierung der Luftangriffe durch die Alliierten auf das okkupierte Europa zeigte sich, dass es der Stadt an Luftschutzbunkern fehlt. Darum entschied man sich, unter dem Marienberg einen weiträumigen Bunker zu bauen. Er sollte für die Bewohner des Zentrums und die Angestellten im Hafen sowie in den nahegelegenen Industriebetrieben bestimmt sein. Im damaligen Reichsgau Sudetenland befand sich kein vergleichbar großer Luftschutzbunker. Dem Projekt zufolge sollte er eine Kapazität für bis zu 10 000 Personen aufweisen. Die ersten Stollen wurden außerhalb der geplanten Tunnelstrecke vorgetrieben. Kurs darauf wurde entschieden, dass der Bunker an der zuvor für den Tunnel geplanten Stelle erbaut wird. Damit würden aus Sicht der damaligen Ämter zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Bei der Beantragung der Baugenehmigung scheiterten sie jedoch am Wiener Luftgau-Kommando, unter welches das besetzte Grenzgebiet fiel. Dieses untersagte die Kombination aus Zivil- und Luftschutzprojekt. In Ústí setzte man den Ausbau des Bunkers fort, betonte jedoch die Möglichkeit einer späteren Nutzung für den Verkehr nicht mehr. Die Arbeiten verliefen nicht ideal. Erneut fehlte es an finanziellen Mitteln, Material (z. B. Kompressoren) und vor allem an Arbeitskräften. Anfang April 1945 war der Luftschutzbunker ungefähr zu fünfundfünfzig Prozent fertig und es wurden vor allem Gefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt. Es ist nicht bekannt, ob der Bunker während der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten am 17. und 19. April 1945 in größerem Maße genutzt wurde. Bei der zweiten Bombardierung nutzen die Angestellten der Schicht-Werke sowie die Bewohner von Kramoly (Krammel) und Novosedlice (Neusedlitz) den Bunker am gegenüberliegenden Kamenný vrch (Streinberg), der sich am Ort der heutigen Grundschule befindet. Auf dem Marienberg sowie auf den umliegenden Anhöhen befand sich nach 1942 Luftschutz-Beobachtungsstationen. Sie wurden bei Fliegeralarm besetzt und die Beobachtungen wurden per Telefon an das Luftschutzkommando übergeben.

Projekt für die Tunnel und den Luftschutzbunker unter dem Marienberg vom 8. August 1944.

Gipsmodell des Marienbergs und des geplanten Gebäudes des Regierungsbezirks Ústí nad Labem von 1940.

Soldaten der tschechoslowakischen Armee vor dem Eingang der Rundfunksendestation im Bunker auf dem Marienberg 1945.